Die Geschäfte blühen, die Drähte laufen heiß. 200 Nummern, täglich in heimischen Tageszeitungen angeboten, versprechen Erleichterung. Unter 045e -Nummern sucht eine wachsende Stammkundschaft berührungslosen Sex. 300 Anrufer pro Hotline und Tag weist die Statistik aus, und davon hat auch die österreichische Post etwas. Schließlich ist sie mit von der Partie und kassiert bei der Menage à Trois gerecht rund eine Drittel der anfallenden Gebühren. Teelinfo, Telebusiness nennt die PTA den Dienst, für den sie für die halbe Stunde zwischen 380 und 700 Schilling verrechnet. die Liebe via Telefon ist weltweit in Zeiten von Aids eine Milliardengeschäft. Die "safe sex"-Alternative der 90er Jahre brachte der Post 1997 zusammen mit anderen 045er-Nummern rund 100 bis 200 Millionen Schilling Umsatz. In Österreich gibt es derzeit rund 1600 Telefonservicefirmen der speziellen Art.
Das Telefonsexvorspiel. Und so funktioniert's: Man kauft sich eine Tageszeitung, wählt die erstbeste 045er-Nummer und - hängt dann erst einmal in der Warteschleife: "Hallo mein Liebling, bist du auf der Suche nach einem unvergesslichen Telefonlive-Gespräch, dann bist du hier genau richtig. Bei dieser Live-Line bekommst du das Mädchen deiner Wahl. Wir sind SM, griechisch, Natursekt-Spezialisten. Bei uns bekommst du nur das Außergewöhnliche. Wir sind spezialisiert auf ein heißes Spiel mit dir..." Auch bei Live-Gesprächen empfängt den Anrufer erst einmal ein Tonband, zum Beispiel: "Wir gehen aber davon aus, dass du das 18te Lebensjahr vollendet hast. Dies ist die Voraussetzung für dieses Erwachsenenservice. Der Verhaltenskodex der Post wird sehr streng gehandhabt. Falls du auch moralisch leicht verletzbar bist, müssen wir dich ebenso darauf hinweisen, dieses Gespräch sofort zu beenden, denn unsere Mädchen gehen voll zur Sache. Sie kennen keine Tabus und nehmen sich keine Blatt vor den Mund. Solltest du leicht schockierbar sein, lege nun den Hörer auf. Wenn du zärtlich verwöhnt werden willst, dann wähle die 1, willst du eine erotische Geschichte hören, dann wähle die 2, brauchst du strenge Erziehung, wähle die 3, willst du jemanden von uns persönlich sprechen, dann warte einfach, was passiert. Also, viel Spaß in der Welt der Erotik." Mittlerweile zeigt der Gebührenzähler bereits die stolze Summe von 216 Schilling an.
Der klassische Telefonsexkunde. Es gibt ihn nicht, den klassischen Telefonsexkunden. Telefoniert wird quer durch alle Gesellschaftsschichten und Altersgruppen: Familienväter, Bankbeamte, Lehrer, Ärzte, die meisten von ihnen verheiratet. Es wird schließlich jedem und jeder etwas geboten: vom normalen Heterosex über devoten Girliesex bis zur strengen Behandlung, auch für Schwule und Lesben, alles, was der Anrufer begehrt. Obwohl es mittlerweile auch Angebote für Frauen gibt, sind nach wie vor 95 Prozent der Anrufer männlich.
Telefoniert wird vor allem in der Nacht. Die Spitzenzeiten sind von 22.00 bis 3.00 Uhr früh. Doch auch tagsüber, zwischen 12.00 und 14.00 Uhr. In der langweiligen Mittagspause, greifen viele zum Hörer. Was die Telefonkosten von so manchem Büro enorm in die Höhe schnellen lässt. Immerhin dauert ein durchschnittliches Gespräch zwischen zehn und zwanzig Minuten. Doch es gibt auch Anrufer, die stundenlang am Hörer hängen. Denn viele wollen nicht nur über Sex, sondern auch über ihre Probleme reden: den Stress in der Arbeit, Ärger mit dem Chef, Frust und Langeweile in der Ehe. Die Warteschleife am Anfang jedes Gesprächs ist ebenso kostspielig wie der Live-Kontakt selbst und macht so das Geschäft zu einem rentablen Unternehmen. Denn bevor sich am anderen Ende der Leitung eine menschliche Stimme meldet, können schon einmal zehn Minuten vergehen. Nach 30 Minuten allerdings hat der Anbieter für die "Trennung der Verbindung zu sorgen" - so in den Geschäftsbedingungen der PTA nachzulesen - sonst kann das Gespräch zum Schutz des Konsumenten und der Post von der PTA automatisch unterbrochen werden.
Das ABC der telefonischen Lusterfüllung. Um bei einer Telefonsexhotline arbeiten zu können, braucht man außer einer erotischen Telefonstimme und einem gesunden Magen vor allem das richtige Vokabular. Rhythmisches Stöhnen in Stadien u nterschiedlicher Erregtheit gehört ebenso zum Repertoire wie der Jargon. Der Verhaltenskodex der Post untersagt "Informationsangebote mit sexuell anstößigem Inhalt". Eigentlich ein Widerspruch in sich, denn die fernmündlichen Gespräche und Stöhnereien haben naturgemäß sexuellen Inhalt.
Das Wesen am anderen Ende der Leitung. Eben noch knabenhaft, mit glattem blondem Haar, verwandelt sich die personifizierte Illusion in eine vollbusige Rothaarige, namens Carmen. Je nach Bedarf schlüpft die Telefonistin in einen anderen Körper mit dazugehöriger Persönlichkeit. Im realen Leben sind die meist weiblichen Moderatorinnen zwischen 18 und 60 Jahre alt, Hausfrauen, Studentinnen oder Sekretärinnen, die sich etwas dazuverdienen wollen. Eine Einschulung gibt es nicht. Anfängerinnen hören bei ihren Kolleginnen mit. Die sogenannten "harten Worte", die anfangs nur mit Mühe über die Lippen kommen, werden mittels "Spickzettel" trainiert. Vorgefertigte Textmuster werden auswendig gelernt. Von den Telefonistinnen wird hohe Konzentration und psychologisches Einfühlungsvermögen verlangt. Bezahlt wird entweder pro Stunde oder pro tatsächlich gesprochener Zeit. Der Stundenlohn liegt zwischen 90 und 120 Schilling. Pro Gesprächsminute erhält man 4,60 Schilling.
Die andere Seite des sauberen Geschäfts. Telefonsex ist harte Arbeit und geht oft bis zur psychischen Belastbarkeitsgrenze. Die Gefahr, von den Abartigkeiten des Telefonverkehrs überwältigt zu werden, ist groß. Und es ist ein gefährliches Geschäft. Die Telefonistinnen können zu Projektionsflächen für destruktive Sexualphantasien werden. Verzweifelte schicken Geschenke, andere bedrohen die Moderatorinnen am Telefon. Der Aufwand, eine Telefonsexhotline einzurichten, ist relativ gering. Ein Gewerbeschein wird nicht benötigt.
Die Einrichtung einer Mehrwertnummer kostet einmalig 1.200 Schilling, eine sechsstellige Wunschrufnummer je nach Ziffernkombination bis zu 4.000 Schilling im Monat. Im Prinzip genügt ein Büroraum mit einem normalen Telefonapparat. Hinzu kommen noch die Werbeeinschaltungen in den Printmedien und Personalkosten. Die größeren Agenturen haben freilich alle Computeranlagen, mittels der die Anrufer zu den Moderatorinnen - auch nach Hause - verbunden werden können.
Die Zensur. Seit der Tarifreform im November 1997
ist die PTA nicht mehr verpflichtet, den Inhalt der Gespräche zu überprüfen.
Trotzdem wird derzeit noch auf Werkvertragsbasis gelegentlich mitgehört.
Die erotisierende/befriedigende Wirkung der Telefongespräche darf zumindest
bezweifelt werden. Den größten Spaß am Telefonsex hat höchstwahrscheinlich
die Post.
Sylvia Platzer
Der Report
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